Kommunale Wärmeplanung

Möglichkeiten der kommunalen Wärmeplanung in Giengen

Am 25. Oktober luden die Stadt Giengen und ihre städtische Dienstleistungsgesellschaft für kommunale Aufgaben DiG[i]Komm die Mitglieder des Gemeinderats, Bürger*innen und Unternehmen zu einem Infoabend zur kommunalen Wärmeplanung in Giengen in die Walter-Schmid-Halle ein. Der Blaue Saal der Walter-Schmid-Halle war voll besetzt – Handwerker, Privatleute und Mitglieder des Gemeinderats zeigten großes Interesse.

Gemeinsame Chance

Als erste Große Kreisstadt auf der Ostalb präsentierte Giengen an diesem Abend weitreichende Überlegungen im Hinblick auf eine Wärmewendestrategie als Voraussetzung für eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis spätestens 2040. „Im Sinne unserer Fünf-Sterne-Strategie versuchen wir, dieses Ziel früher zu erreichen“, so OB Dieter Henle in seiner einleitenden Rede. „Ein ‚Weiter so’ funktioniert nicht. Wir müssen unsere Abhängigkeit von fossilen Energien rasch beenden. Welche Folgen sie nach sich ziehen kann, sehen wir im Moment: Zu politischen Unwägbarkeiten kommen Mehrkosten für die Stadt von über 875.000 Euro, dabei sind die umweltschädigenden Folgen durch CO2 nicht eingepreist.“ Umdenken lohne sich, man müsse den Weg in eine Energieversorgung der Zukunft im Schulterschluss gehen, so Henle. „Die kommunale Wärmeplanung bildet eine gemeinsame Chance, die sich mit Vorteilen für alle Beteiligten verbindet.“ Ergänzend ging er auf die geplante kommunale Servicegesellschaft N!Kom – für „Nachhaltigkeit in Kommunen“ – ein. Sie soll im März 2023 gegründet werden und auch kleineren Kommunen mit geringeren eigenen Ressourcen eine Wärmewendestrategie und damit einen raschen, effektiven Ergebnisbeitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes ermöglichen: „Im Verbund bündeln wir Kompetenzen – Mut zur Gestaltung trägt uns!“

Realisierung möglich

Bürgermeister Alexander Fuchs schilderte anschließend, warum die Wärmewendestrategie aus Sicht der Stadt eine Frage der Daseinsfürsorge und des verantwortlichen Handelns ist: „Die Stadt Giengen verfügt aktuell über 80 eigene, teils sehr große Gebäude, die wir auch zukünftig zuverlässig mit Energie versorgen möchten und müssen!“ Die Möglichkeiten gebe es, sie ließen sich auch umsetzen. Erste Netze – etwa in Sachsenhausen – zeigten, wie umweltfreundlich, kostensparend und sicher die gemeinsame Nutzung erneuerbarer Ressourcen funktioniere. Natürlich rede man in Bezug auf ganz Giengen von anderen Dimensionen, sie seien aber zu stemmen. „Wir haben daher bereits Anfang 2022 die DiG[i]Komm beauftragt, zügig den Weg zu leistungsfähigen, zukunftsgerichteten Energie-Infrastrukturlösungen aufzuzeigen – nicht, weil das Land es vorschreibt, sondern weil es uns unabhängig und sicher macht.“

Kompetentes Konzept der DiG[i]Komm

Dass man dort gemeinsam mit einem Fachbüro nachhaltig aktiv war, bewies die anschließende Präsentation von Energiespezialist Bernd Olschewski von der DiG[i]Komm. In seiner Situationsanalyse zu Beginn bezifferte er den Anteil der Wärme am gesamten Energiebedarf auf 52 % und den aktuellen Anteil der Erneuerbaren Energien daran auf nur 15 %. Das Land habe die Großen Kreisstädte nun verpflichtet, bis Ende 2023 eine kommunale Wärmeplanung zu formulieren: im Sinne einer Wärmewendestrategie auf Basis einer Bestands-, einer Potenzialanalyse und eines Zielszenarios. Sie beinhaltet die Formulierung von fünf Maßnahmen, die innerhalb von fünf Jahren umsetzbar wären.

Bestands- und Potenzialanalyse

In der Bestandsanalyse ermittelten DiG[i]Komm und Fachbüro den aktuellen Wärmebedarf anhand gebäudebezogener Daten zu Energieverbrauch, Netzinfrastruktur und aktuell genutzten Energieträgern. Dargestellt in Form einer Wärmedichtenkarte (Wärmebedarf pro Meter Straße p. a.), einer Energieträgerkarte und einer Baujahrskarte ergab sich daraus die aktuelle Energieinfrastruktursituation. In der Potenzialanalyse ging es um die mögliche Steigerung der Gebäudeeffizienz u. a. durch Sanierung und moderne Heizanlagen, der Prozesseffizienz im gewerblichen Bereich sowie die Einsatzmöglichkeit erneuerbarer Energien. Ergebnis: Die größten Potenziale in Giengen könnten mit 74 GWh/a die Fotovoltaik beim Ausbau aller geeigneten Dachflächen liefern, mit 47 GWh/a die Freiflächen-Solarthermie und mit 11 GWh/a die Biomasse im Stadtwald.

Zukunftschance Wärmenetz

Auf dem Weg zum Zielszenario zeigte Olschewski zunächst die möglichen Energieträger beim dezentralen „Heizen im eigenen Haus“ auf. Holzpellet-Anlagen, Wärmepumpen, Erdwärmekollektoren und Solarthermie-Anlagen wurden mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen sowie unterschiedlichen Fördermöglichkeiten aufgezeigt. Die sinnvolle Alternative mit vielen Vorteilen sei das gemeinsame Heizen in Wärmenetzen. Diese punkten durch höchste Energieeffizienz und einen höheren Wirkungsgrad, durch mehr Platz im Haus, sinkende CO2-Emissionen und die jeweils höchste Förderung. Zudem entfallen die Kosten für Kaminfeger und Wartung. „Wärmenetze sind zukunftssicher und intelligent – aus unserer Sicht bilden sie die Lösung der Wahl“, kommentierte Bernd Olschewski. „Die Kosten sind niedrig und von steigenden Energiepreisen unabhängig, die Energieinvestitionen bleiben in der Region, angeschlossene Immobilien steigen im Wert. Allerdings sind Wärmenetze nur in Eignungsgebieten mit einer hohen Wärmedichte rentabel.“

Geografische Verteilung und mögliche Energieerzeugung

In der weiteren Untersuchung fasste man Gebiete mit ähnlichen Bestandsdaten zusammen. Es folgten die Überlegung, wo Wärmenetze sinnvoll sind, das Hinterlegen der möglichen Energieerzeugung und der Kosten. Daraus ergaben sich Optionen für kurzfristige (bis 2030) und langfristige Netze (bis 2040). In Bestandsgebieten stünden als Energieerzeuger Abwärme aus Industrie, Großwärmepumpen mit Strom aus erneuerbarer Energie, Blockheizkraftwerke, z. B. mit Erd-/Biogas, das Heizen mit Holzhackschnitzeln aus heimischem Waldrestholz und Biogasanlagen zur Wahl. In Neubaugebieten kämen optional Erd-/Flächenkollektoren hinzu, die Unterstützung durch dezentrale PV-Anlagen, Solarthermie und Wärmespeicher sowie komplette Quartiers-Energiekonzepte. Wo Wärmenetze nicht infrage kommen, bieten sich Wärmelösungen auf der Basis von Biomethan (Power to Gas) an.

Wärmewendestrategie für Giengen

Als Wärmewendestrategie – die vom Land geforderten relativ kurzfristig realisierbaren Maßnahmen – formulierte die Stadt gemeinsam mit der DiG[i]Komm folgende fünf punktuelle Lösungsansätze: 1. ein Wärmenetz für die Innenstadt zur Versorgung kommunaler und weiterer Gebäude, 2. die nachhaltige Versorgung des Bergbades, 3. Beratungsangebote für dezentrale Wärmeerzeugung, 4. Wärmelösungen für Wohnungsbaugesellschaften und 5. Wärmelösungen für Neubaugebiete. „Wir empfehlen der Stadt, die Realisierung der Wärmewendestrategie zügig anzugehen“, kommentierte Bernd Olschewski. Bürgermeister Alexander Fuchs bedankte sich für den Ausblick in eine greifbare Zukunft: „In der Nutzung von Wärmenetzen liegt eine erhebliche Chance für unsere Stadt. Die Strategie denkt Wärmeversorgung komplett neu – verbunden mit weitreichenden Änderungen, die wir in Zukunft sehr schätzen werden!“

Rege Beteiligung des Publikums

Letzter Punkt der Veranstaltung war ein reger Austausch. Dabei gab es Lob für die Veranstaltung, auch die Bündelung der Ressourcen wurde sehr begrüßt. Ergänzend kamen Anfragen nach einer Fotovoltaik-Fläche und nach gezielter Beratung, ob und wie lange sich der Tausch älterer Heizungsanlagen noch lohnt bzw. ob der spätere Anschluss der eigenen Heizung möglich ist. Die Nutzung vorhandener Biogasanlagen für Baugebiete und die Bildung von Einkaufsgemeinschaften bei Fotovoltaik-Paneelen wurden ebenso angeregt wie der Aufbau einer Homepage mit Bürgerinformationssystem und – im Sinne hoher Akzeptanz – die Finanzierung des Wärmenetzes über eine Genossenschaft. Die Verantwortlichen nehmen sämtliche Ergebnisse in ihre Beratungen mit und beziehen die Stadtgesellschaft durch aktive Kommunikation weiterhin ins Projekt ein.

Präsentation der Infoveranstaltung

Die Präsentation, die im Rahmen der Infoveranstaltung gezeigt wurde, können Sie nachstehend als PDF downloaden:

Präsentation (PDF)

Mehrere Menschen sitzen in einem Saal und schauen auf eine Leinwand, auf der eine Präsentation gezeigt wird
Bild von der Infoveranstaltung am 25.10.2022

Ergebnisse der Kommunalen Wärmeplanung